Hormone

Übersicht


Physiologie

Definition

  • Hormone sind chemische Botenstoffe des Körpers, die der langsamen und langfristigen Signalübertragung zur Regelung von Organfunktionen und Stoffwechselvorgängen dienen.

Allgemeines

  • Neben dem vegetativen Nervensystem verfügt der tierische und menschliche Organismus über eine weitere Regulationsmöglichkeit seines inneren Milieus, die hormonale Steuerung.
  • Während im Nervensystem Informationen auf dem Leitungsweg sowie in den Synapsen chemisch (seltener auch elektrisch) übertragen werden, kann man das hormonelle System mit einem "drahtlosen " Kommunikationssystem vergleichen.
  • Der Inhalt der Nachricht ist in diesem Fall in der Struktur spezieller Substanzen verschlüsselt.
  • Während das Nervensystem vorrangig der schnellen und gezielten Informationsübertragung dient, ist das hormonelle System hauptsächlich für die längerdauernde und globale Steuerung der Zellfunktionen zuständig, so z.B.:
    • Homöostase des internen Milieus (Wasser und Mineralhaushalt)
    • Kontrolle der Energiebereitstellung und -nutzung
    • Kontrolle von Wachstum und Entwicklung
    • Kontrolle der Fortpflanzung
  • Diese Aufgaben erfordern eine ständige, dem jeweiligen Bedarf angepasste Bildung der Hormone sowie eine kontrollierte Abgabe und Inaktivierung.
  • Hormone sind in sehr geringen Konzentrationen wirksam, indem sie an speziellen, für sie spezifischen Rezeptoren angreifen.
  • Über die Expression verschiedener Rezeptoren auf verschiedenen Zellen, wählen sich diese praktisch die für sie zuständigen Hormone aus.
  • Bei Störungen innerhalb dieses komplexen Systems kommt es zu entsprechenden hormonspezifischen Erkrankungen.

Hormonelle Signalübertragung

  • Anhand des Bildungs- und Wirkorts kann man vier Typen der hormonellen Signalübertragung unterscheiden:
    • Autokrine Sekretion
      • Ein autokriner Effekt liegt vor, wenn Zellen durch die Abgabe von Wirkstoffen ihre eigene Funktion beeinflussen.
    • Endokrine Sekretion
      • Werden die Hormone von den Drüsenzellen in die Blutbahn abgegeben und wirken sie entfernt vom Bildungsort, spricht man von endokriner Sekretion bzw. hormonaler (endokriner) Wirkung im engeren Sinn.
    • Neuroendokrine Sekretion
      • Bei der neuroendokrinen Sekretion erfolgt die Hormonabgabe ins Blut aus einer Nervenendigung.
    • Parakrine Sekretion
      • Beeinflussen Hormone benachbarte Zellen, handelt es sich um eine parakrine Sekretion bzw. Wirkung.
  • Manche Hormone weisen sowohl endokrine als auch parakrine Effekte auf:
    • So wurde z.B. bei den Hypophysenvorderlappenhormonen neben einer endokrinen auch eine parakrine Wirkung, d.h. eine Beeinflussung der Hormonsekretion benachbarter Hypophysenzellen, nachgewiesen.
    • Eine parakrine und autokrine Wirkung besitzt z.B. das in Chondrozyten gebildete Somatomedin C.
  • Darüber hinaus können bestimmte Hormone, z.B. einige die gastrointestinale Motilität beeinflussende Peptidhormone, auch als Neurotransmitter fungieren. Eine eindeutige Abgrenzung zwischen den verschiedenen Typen biologischer Überträgersubstanzen ist somit nicht möglich.
 

Bildungsorte der Hormone

  • Hormone werden von spezialisierten (inkretorischen) Drüsenzellen gebildet und direkt oder nach vorheriger Speicherung in die Blutbahn abgeben.
  • Diese Drüsenzellen können zu größeren Einheiten zusammengefasst sein (endokrine Drüsen, z.B. Hypophyse, Schilddrüse, Nebenniere, Pankreas-Inseln, Ovar, Hoden), oder diffus in Organen vorliegen, die primär andere Funktionen haben (endokrine Zellen, z.B. C-Zellen der Schilddrüse, Thymus, Herzvorhof, Niere, Leber, Gastrointestinaltrakt u.a.).
  • Die Synthese der meisten Hormone erfolgt in epithelialen Drüsenzellen. Diese geben ihr Sekret durch ein fenestriertes Kapillarendothel in die Blutbahn ab. Man bezeichnet sie als endokrine Drüsen.
  • Zu den hormonbildenden Organen bzw. Organteilen gehören u.a.
  • In einigen Fällen sind Bildungs- und Abgabeort nicht identisch: So erfolgt beispielsweise die Synthese einiger Hormone, die von der Hypophyse gespeichert und abgegeben werden, im benachbarten Hypothalamus.
  • Bei bestimmten Krankheiten kann es zu einer ektopen Hormonbildung kommen. 
    • Darunter versteht man die (unkontrollierte) Hormonsynthese in nicht-endokrinen Geweben infolge einer malignen Entartung der Zellen.
    • Werden bei der Ausdifferenzierung abgeschaltete Gene wieder reaktiviert, so können z.B. Zellen eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms nicht selten ACTH bilden.
    • Die durch die überschießende Hormonsynthese verursachten Beschwerden überdecken u.U. (zunächst) die durch den Tumor selbst bedingten Symptome.

Hormonsynthese

  • Die Bildung der Peptidhormone erfolgt wie die anderer Eiweißkörper durch Transkription und Translation.
  • Zunächst wird ein (höhermolekulares) Vorläufermolekül, das sogenannte Präprohormon, synthetisiert.
  • Durch Abspaltung eines Teils der Peptidkette entsteht aus dem Präprohormon das Prohormon.
  • Das eigentlich wirksame Hormon ist in diesem als Teilsequenz enthalten und wird erst später durch Biohydrolyse freigesetzt..
  • In einigen Fällen entstehen bei diesem als posttranslationale Prozessierung bezeichneten Vorgang mehrere hormonell aktive Teilstücke (z.B. bei Proopiomelanocortin).
  • Daneben können Glykosylierungsreaktionen nach der Verknüpfung der Aminosäuren von entscheidender Bedeutung für die Aktivität von Hormonen sein. 
    • So handelt es sich z.B. bei Erythropoetin um ein Glykoprotein, das erst durch die Einführung von Glucoseresten seine volle Wirkung und Wirkdauer erlangt.
  • Die Biosynthese der Steroid-, Nebennierenmark- und Schilddrüsenhormone wird bei der Behandlung der entsprechenden Gruppen beschrieben.

Hormonfreisetzung

Allgemeines

  • Einige Hormone werden entweder nach Bedarf in Abhängigkeit von der Stoffwechselsituation des Organismus oder als Antwort auf bestimmte innere bzw. äußere Reize abgegeben. Hierzu zählen z.B. 
  • Bei einer zweiten Gruppe von Hormonen, zu der die Glukokortikoide und Somatotropin gehören, folgt die Basissekretion einem zirkadianen Rhythmus; zusätzlich werden weitere Hormonmengen, den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend, freigesetzt. In anderen Fällen, wie z.B. bei den weiblichen Sexualhormonen, variiert die Abgaberate in Rhythmen von längerer Dauer.
  • Die Sekretion von Gonadotropin-Releasing-Hormon durch den Hypothalamus unterliegt dagegen einem deutlich kürzeren Rhythmus (Abgabe ca. alle 90 min; pulsatile Sekretion).
  • Bei einer weiteren Gruppe wird schließlich die Sekretion und damit die Konzentration im Blut weitgehend konstant gehalten: Typische Vertreter dieser Gruppe sind die Schilddrüsenhormone.

Speicherung und Sekretion der Hormone

Regulation der Hormonfreisetzung

  • Durch Hormone vermittelte Reaktionen laufen vielfach nach einem einheitlichen Schema ab, das einen dreistufigen, hierarchischen Aufbau zeigt: 
    • Das zentrale Steuerorgan ist der Hypothalamus.
    • Durch Freisetzung eines Releasing-Hormons (Freisetzungshormons, Liberins) wird in der Adenohypophyse die Bildung und Ausschüttung eines zweiten Hormons ausgelöst.
    • Dieses beeinflusst eine periphere endokrine Drüse und wird daher als glandotropes Hormon (auch: tropes Hormon) bezeichnet.
    • Das glandotrope Hormon regt die Hormonproduktion und -freisetzung eines effektorischen Hormons aus der peripheren Drüse an, das sich mit dem Blutstrom über den Organismus verteilt und in den Zellen, die über entsprechende Hormonrezeptoren verfügen, die eigentliche Reaktion auslöst.
  • Durch Chemorezeptoren in entsprechenden Hypothalamuszentren kann die Konzentration des effektorischen Hormons oder bestimmter damit in Verbindung stehender Stoffwechselprodukte im Blut registriert und entsprechend dieser Konzentration die Ausschüttung des Releasing-Hormons gesteuert werden: 
    • Ein Anstieg der Hormonkonzentration führt zu einer verminderten, ein Abfall der Hormonkonzentration zu einer gesteigerten Abgabe des Releasing-Hormons.
    • Es besteht also ein Regelkreis mit einer negativen Rückkopplung  (negatives Feedback).
  • Nicht alle Hormone unterliegen einem solchen Rückkopplungsmechanismus. Auch der dreistufige Aufbau der Hormonkette ist nicht bei allen Hormonen gegeben, vor allem dann, wenn der Hypothalamus nicht beteiligt ist; aber auch die Hormone der Neurohypophyse unterliegen einem anderen Regelkreis.
    • Die Sekretion von Insulin aus den B-Zellen der Langerhans-Inseln des Pankreas erfolgt z.B. selbstregulierend über den Blutzuckerspiegel.
    • Auch die Freisetzung von PTH wird selbständig über die Ca2+-Konzentration im Blut reguliert.
  • Innerhalb eines Regelkreises kann ein Hormon entweder als Stellgröße, oder als Regelgröße dienen:
    • Im ersten Fall wird durch die Anpassung der Hormonausschüttung eine andere gemessene Größe eingestellt.
      • Dies ist z.B. bei der Konstanthaltung der osmotischen Konzentration im Extrazellularraum (Regelgröße) der Fall. Hier wird über ADH (Stellgröße) aus dem Hypothalamus (Regler) an der Niere (Stellglied) über den Einbau von Aquaporinen am Sammelrohr die Wasserrückresorption gesteuert.
    • Die Verwendung der Hormonkonzentration als Regelgröße selbst, ist seltener.
      • Realisiert ist sie z.B. bei den Schilddrüsenhormonen (Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4)), deren Blutkonzentrationen vom Hypothalamus überwacht wird. Bei einer Veränderung der Konzentration reagiert er durch eine entsprechende Steuerung der Freisetzung von Releasing-Hormonen.

Transport

  • Hydrophiler Hormone werden in freier Form im blut transportiert.
  • Schlecht wasserlösliche Hormone liegen im Blut hingegen an besondere Transportproteine gebunden vor. 
    • Die Schilddrüsenhormone z.B. werden mit Thyroxin-bindendem Globulin (TBG) und Thyroxin-bindendem Präalbumin (TBPA), Androgene mit Androgene-bindendem Protein (ABP) und Glukokortikoide mit Transcortin transportiert.
    • Weitere Transportproteine für die einzelnen Hormone sind bei direkt bei den Hormonen bzw. bei ihren Hormongruppen angegeben.

Inaktivierung

  • Die Funktion der Hormone als Informationsträger setzt voraus, dass sie nur eine begrenzte Zeit wirken und ihre Anreicherung im Zielorgan verhindert wird. Dies geschieht durch Biotransformation im Erfolgsorgan selbst oder in verschiedenen anderen Organen, insbesondere in der Leber, aber u.a. auch in der Lunge oder den Nieren.
  • In manchen Fällen wird die Hormonwirkung durch die Abgabe antagonistischer Hormone aufgehoben oder (z.B. bei Adrenalin) das freigesetzte Hormon wird durch Wiederaufnahme aus dem Blut entfernt.

Wirkmechanismen

  • Zunächst kuppeln Hormone nun mit ihrem spezifischen Rezeptor. Daran anschließend kommt es zu Folgereaktionen in den Zellen der Erfolgsorgane.
  • Man kennt heute vor allem drei Arten derartiger Reaktionen, durch die biochemische Prozesse in den Zellen fördernd oder hemmend beeinflusst werden können:
    • Phosphorylierung einer intrazellulären Phosphorylierungsdomäne einer Rezeptor-Tyrosinkinase (einfach-membrangängiger Rezeptor) nach Bildung des Hormon-Rezeptor-Komplexes. Dadurch wird die Rezeptor-Tyrosinkinase aktiviert und es kommt zu weiteren intrazellulären Phosphorylierungen sowie der (partiellen) Internalisierung des Hormon-Rezeptor-Komplexes
      • Ein typisches Beispiel für ein Hormon, das nach Bindung an den Rezeptor mit diesem zusammen internalisiert wird ist Insulin.
    • Bildung eines second messenger durch Interaktion des Hormons mit einem membranständigen Hormonrezeptor-Kopplungsprotein-Enzym-Komplex
      • Zu den Hormonen, die ihre Wirkung über die Bildung eines second messenger entfalten, gehören die meisten Peptid- und Proteohormone sowie die Katecholamine.
    • Verstärkte oder (seltener) verringerte Translation von Enzymen und/oder anderen Proteinen durch Wechselwirkung des Hormons mit einem intrazellulären Rezeptor und nachfolgende Interaktion mit DNA-Abschnitten (Beeinflussung der Genexpression).
  • Voraussetzung für die Bindung an einen intrazellulären Rezeptor ist die Fähigkeit des Hormons, die Zellmembran zu überwinden. Dies ist nur bei lipophilen, bzw. den hydrophile Hormonen gegeben, die aktiv in die Zelle aufgenommen werden. Nicht aktiv ins Zellinnere transportierte hydrophile Hormone können lediglich an membranständige Rezeptoren binden.

Übersicht

Bezeichnung Abkürzung Synonyme Strukturklasse Abgabeort Wirkungen
Antidiuretisches Hormon ADH
  • Adiuretin
  • Vasopressin
Nonapeptid Neurohypophyse
  • Wasserretention
Oxytocin
  • Ocytocin
Nonapeptid Neurohypophyse
  • Uteruskontraktion
  • Milchauspressung
Somatotropes Hormon STH, GH Protein Adenohypophyse
  • Knochenwachstum
  • Proteinsynthese
  • Lipolyse
  • Hemmung der Glucoseaufnahme
Melanozyten-stimulierendes Hormon MSH Polypeptid Adenohypophyse
  • Hautpigmentierung
Lactotropes Hormon LTH, PRL Protein Adenohypophyse
  • Milchproduktion
Thyroxin T4
  • Tetraiodthyronin
Tyrosin-Derivat Schilddrüse
  • Stoffwechselsteigerung
  • Wachstumsförderung
Triiodthyronin T3 Tyrosin-Derivat Schilddrüse
  • Stoffwechselförderung
  • Wachstumsförderung
Calcitonin
  • Thyreocalcitonin
Polypeptid Schilddrüse
  • Senkung der Ca2+-Konzentration
  • Erhöhung der Phosphatkonzentration
Parathyreotropes Hormon PTH
  • Parathormon
  • Parathyrin
Polypeptid Nebenschilddrüsen
  • Erhöhung der Ca2+-Konzenztration
Somatomedin C IGF
  • Insulin-like growth factor
Polypeptid Leber u.a.
  • Wachstumsförderung
Insulin Polypeptid B-Zellen des Pankreas
  • Glucoseaufnahme und -oxidation
  • Glykogenaufbau
  • Senkung des Blutzuckerspiegels
Glucagon HGF
  • Hyperglykämischer Faktor
Polypeptid A-Zellen des Pankreas
Glukokortikoide (z.B. Hydrocortison) Steroide Nebennierenrinde (Zona fasciculata)
Mineralokortikoide (z.B. Aldosteron) Steroide Nebennierenrinde (Zona glomerulosa)
  • Na+-Retention
  • K+-Sekretion
  • Wasserretention
Androgene (z.B. Testosteron) Steroide Testes (Zwischenzellen)
  • Wachstum der männlichen Sexualorgane
  • Proteinsynthese
Estrogene (z.B. Estradiol)
  • Östrogene
Steroide Ovar (Follikelepithel), Plazenta
  • Wachstum der weiblichen Sexualorgane
  • Proliferation der Uterusschleimhaut
Gestagene (z.B. Progesteron) Steroide Ovar (Gelbkörper), Plazenta
  • Umwandlung der Uterusschleimhaut zur Sekretionsphase
  • Temperatursteigerung (+ 0,4 °C)
Adrenalin A Tyrosin-Derivat Nebennierenmark
Noradrenalin NA
  • Norepinephrin
Tyrosin-Derivat Nebennierenmark
  • Blutdrucksteigerung
Erythropoetin Glykopeptid Niere
  • Erythrozytenbildung
Atriales natriuretisches Peptid ANF, ANP
  • Atrialer natriuretischer Faktor
  • Atriopeptin
Polypeptid Herzvorhöfe
  • Verstärkte Diurese
  • Natriurese

Chemie

Strukturklassen

 

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