Enzym

Synonym

  • Ferment

Definition

  • Enzyme sind biologische Katalysatoren, die es der lebenden Zelle ermöglichen viele Reaktionen, die sonst nicht zu den in der Zelle herrschenden Bedingungen ablaufen könnten, durchzuführen.

Bemerkungen

  • Enzyme sind Katalysatoren und verändern dementsprechend die Gleichgewichtslage einer Reaktion nicht, sondern beschleunigen nur deren Einstellung.
    • Bei mehreren nacheinander ablaufenden enzymatischen Reaktionsschritten kommt es jedoch durch die ständige Entfernung eines Reaktionspartners zu einem vom chemischen Gleichgewichtszustand der Einzelreaktionen abweichenden sogenannten Fließgleichgewicht (steady state).
  • Die Enzyme einer Stoffwechselkette sind meistens in bestimmten Zellräumen zusammengefasst (Kompartimentierung), z.B. die der Atmungskette in den Mitochondrien, die der Glykolyse im Zytoplasma oder die der Proteinbiosynthese an den Ribosomen.
  • Da die katalytische Aktivität der Enzyme an ihre Raumstruktur gebunden ist, kann man sie durch verschiedene Verfahren, die allesamt die Raumstruktur zerstören inaktivieren.
    • So werden Enzyme durch Zugabe neutraler Salze ausgefällt, denaturieren die meisten Enzyme beim Erhitzen über 60 °C und werden unwirksam bei Zugabe von Schwermetallionen oder extrem saueren oder basischen pH-Werten.

Aufbau

  • Enzyme bestehen aus Proteinen, deren Aminosäuresequenzen innerhalb des Enzyms beginnend vom N-Terminus durchgezählt werden.
  • Typische Molekulargewichte von Enzymen sind 104 - 106 Da.
    • Ribozyme werden auch oft zu den Enzymen gezählt, sie bestehen jedoch aus RNA.
  • Die Funktion eines Enzyms ist an die Unversehrtheit seines räumlichen Aufbaus (Tertiärstruktur, Quartärstruktur) gebunden.
  • Für die eigentliche katalytische Aktivität ist das aktive Zentrum entscheidend. Dieses wird durch mehrere räumlich beieinander liegende Proteine gebildet.
    • Zu beachten ist hier, dass es sich um eine räumliche Nähe in der Raumstruktur, nicht in der Primärstruktur handeln muss.
  • Am aktiven Zentrum werden die an der Reaktion beteiligten Substanzen (Substrate) angelagert und, nach Ablauf der Reaktion, das Produkt abgelöst.
    • Das aktive Zentrum kann auch durch ein Coenzym mit Nichtproteincharakter repräsentiert sein.
  • Die biologische Aktivität eines Enzyms hängt oft nicht nur mit dem Enzymprotein allein zusammen.
    • Wenn bei enzymatischen Reaktionen Elektronen, Ionen oder Molekülgruppen vom Substrat abgespalten oder daran angelagert werden, werden zusätzlich Coenzyme oder Cofaktoren benötigt.
    • In diesen Fällen bezeichnet man das allein nicht wirksame Enzymprotein als Apoenzym, den wirksamen Komplex aus Enzymprotein und Coenzym oder Cofaktor als Holoenzym.
  • Enzyme, die Metallionen als Cofaktor benötigen bezeichnet man als Metallenzyme.

Spezifität

  • Ein Kennzeichen von Enzymen ist ihre hohe Spezifität. Man unterscheidet:
    • Substratspezifität
      • Das Enzym bindet sein Substrat mit hoher, z.T. sogar absoluter Selektivität.
      • Andere Substrate werden nicht gebunden, ihre Reaktionen folglich auch nicht katalysiert.
    • Produktspezifität
      • Das Enzym bindet mehrere Substrate, liefert aber immer das gleiche Produkt nach der Umsetzung.

Katalytische Aktivität

Allgemeines

  • Enzyme sind äußerst effektive Katalysatoren. Sie beschleunigen die Gleichgewichtseinstellung um ca. >= Faktor 106.
  • Das enorme katalytische Potential beruht vor allem auf der Stabilisierung der energetisch ungünstigen Zwischenprodukte, z.B. durch temporäre Übernahme von Ladungen, Gruppen etc.
  • Enzyme sind auch außerhalb der intakten Zelle funktionsfähig, wenn die notwendigen Reaktionsbedingungen gegeben sind. 
    • Diese orientieren sich meist an ihrer physiologischen Umgebung, so haben die meisten Enzyme des Menschen bei ca. 37 °C und pH 7,4 ihr Wirkungsoptimum.
  • Maß für die katalytische Wirkung eines Enzyms ist die Enzymaktivität (pro Zeiteinheit umgesetzte Substratmenge), die in der SI-Einheit Katal [kat = mol·sec-1·l-1] gemessen wird.
    • Enzymaktivitätsmessungen werden unter optimalen Bedingungen (optimaler pH-Bereich, Substratsättigung) bei Standardtemperatur meist mit Hilfe photometrischer Methoden durchgeführt.
  • Die Affinität von Enzym zu Substrat wird durch die Michaelis-Menten-Konstante (KM) beschrieben, die Umsatzgeschwindigkeit eines Enzyms durch die spezifische Aktivität oder die Wechselzahl.

Reaktionsablauf

  • Die Bindung des Substrats findet am sogenannten aktiven Zentrum statt, dabei sind ausschließlich nicht kovalente Bindungen beteiligt.
  • Das Substrat bindet am aktiven Zentrum nach dem Prinzip des "induced fit". Durch die Bindung des Substrats am Enzym kommt es danach zu einer Veränderung der Konformation des Enzyms, die erst die volle katalytische Aktivität bewirkt.
    • Das ältere Modell des Schlüssel-Schloss-Prinzips nach dem das Enzym bereits vor der Bindung des Substrats in der "Wirkform" vorliegt, in die das Substrat wie ein Schlüssel ins Schloss passt, ist inzwischen als falsch anzusehen.
  • Das aktive Zentrum ergibt sich weniger direkt aus der Aminosäuresequenz, als vielmehr aus der sich daraus ergebenden Raumstruktur (Tertiär- bzw. Quartärstruktur). Daher müssen die im aktiven Zentrum liegenden Aminosäuren auch nicht direkt in der Sequenz aufeinander folgen.
  • Der Ablauf einer enzymkatalysierten Reaktion lässt sich grob in folgende Stufen einteilen:

Enzym + Substrat Enzym-Substrat-Komplex Enzym-Intermediat-Komplex Enzym + Produkt

Regulation der Enzymaktivität

  • Die Regulation der Enzymaktivität wird entscheidend vom Angebot an Substraten, benötigten Coenzymen und Cofaktoren sowie der Geschwindigkeit der weiteren Metabolisierung bzw. der Konzentration der entstehenden Produkte beeinflusst.
  • Stoffwechselwege werden meist dadurch gesteuert, dass v.a. die Aktivität desjenigen Enzyms verändert wird, das den langsamsten Schritt der Reaktionskette katalysiert.
  • Diese Schlüsselenzyme unterliegen einer Kontrolle auf drei hierarchisch unterschiedlichen Ebenen:
    • Transkriptionskontrolle
      • Eingriff in die Biosynthese des Enzyms, die vermittelt durch Regulatorproteine verstärkt (Enzyminduktion) oder reduziert wird (Enzymrepression), z.B. als Folge kompetitiver Hemmung.
    • Interkonversion
      • Aktivierung bzw. Inaktivierung des Enzyms durch enzymatische Katalyse (z.B. Phosphorylierung), meist ausgelöst durch ein Hormonsignal.
    • Bindung von Liganden
      • z.B. (negative) Rückkopplung durch Endprodukte der Reaktionskette (Feedback-Mechanismus), allosterische Regulation oder Enzymhemmung durch ein Überangebot an Substrat.

Benennung & Einteilung

  • Die Benennung der einzelnen Enzyme folgt dem Prinzip: Stamm des Substratnamens + Endung "ase". Ein Maltose spaltendes Enzym heißt demnach Maltase.
  • Man kennt aber auch Enzyme, die ähnlich gebaute Substrate angreifen, diese bezeichnet man als gruppenspezifisch. Hier wird die Bezeichnung der Gruppe vor die Endung "ase" gestellt, z.B. spaltet eine Protease verschiedene Proteine.
  • Die Einteilung der Enzyme erfolgt nach ihrer Wirkungsspezifität in 6 Hauptklassen.
  • International gültig ist das System der "Enzyme Commission" (E.C.-Nomenklatur) der International Union of Biochemistry (IUB) von 1972:
    EC-Klasse Gespaltene Bindung / Struktur
    1.x.x.x Oxidoreduktasen
    • Redoxreaktionen katalysierende Enzyme.
    2.x.x.x Transferasen
    • C1-, Aldehyd-, Keto-, Acyl-, Amino-, Glykosyl- u.a. Gruppen übertragende Enzyme, z.B. Transaminasen oder Kinasen
    3.x.x.x Hydrolasen
    • Hydrolasen spalten hydrolyseempflindliche Strukturen wie Ester-, Ether-, Peptid-, Glykosid- u.a. Bindungen.
    • Zu den Hydrolasen zählen z.B. Esterasen, Phosphatasen, Glykosidasen oder Proteasen.
    4.x.x.x Lyasen
    • Enzyme, die vom Substrat unter Bildung von Doppelbindungen Gruppen abspalten und z.B. C-C-, C-O-, C-N-, C-S-Bindungen lösen (z.B. Dehydratasen, Decarboxylasen) oder die Anlagerung einer Gruppe an eine Doppelbindung bewirken (Synthasen)
    5.x.x.x Isomerasen
    • Enzyme, die die Umwandlung isomerer Verbindungen katalysieren z.B. Racemasen, Epimerasen und Isomerasen.
    6.x.x.x Ligasen
    • Enzyme, die zwischen 2 Substraten unter Energieverbrauch (z.B. ATP-Abbau) neue Bindungen (z.B. zwischen C-C, C-O, C-N, C-S u.a.) knüpfen, z.B. Carboxylasen und Phosphorylasen.

Typen

  • Allosterische Enzyme
    • Enzyme mit separatem regulatorischen Zentrum, durch das die Aktivität des Enzyms geregelt werden kann.
  • Michaelis-Menten-Enzyme
    • Enzyme ohne regulatorisches Zentrum, deren Kinetik dem Michaelis-Menten-Modell folgt.

Enzymreinigung

  • Sollen große Mengen an Enzymen hergestellt werden, so können die sie codierenden Gene in Bakterien eingeschleust werden. Diese produzieren nun das für sie eigentlich unnötige Enzym.
  • Die so hergestellten Enzyme müssen aufgereinigt werden. Dazu dienen verschiedene Verfahren wie:

Geschichtliches

  • Fermentative Vorgänge waren wahrscheinlich schon in prähistorischer Zeit bekannt (Gärung, Fäulnis).
  • Die Natur der Enzymwirkungen erkannte 1834 J. J. Berzelius (1779 - 1848).
    • Bereits zuvor hatten Alexander Marzet (1770 - 1822) die Enzyme Steapsin und Lipase (1815) und Heinrich August von Vogel (1778 - 1867) das Emulsin (1817) isoliert.
  • 1867 gelang Willy Kühne (1837 - 1900) die erste Reindarstellung von Enzymen.
  • 1911 erkannte Albert Prescott Mathews und Glenn, dass Enzyme ein Coenzym und ein Apoenzym enthalten.
  • 1926 stellte James Sumner (1887 - 1955) das erste kristallisierte Enzym (Urease) dar.

Beispiele

Bemerkungen

  • In der Hoffnung, dass die Liste einmal so lang wird, dass es sinnlos wäre sie hier anzufügen, findet sich eine Übersicht behandelter Enzyme auf dieser separaten Seite: Enzyme.

 

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