Säure-Basen-Haushalt

Übersicht


Medizin

Störungen des Säure-Basen-Haushalts

  • Kommt es unter pathologischen Bedingungen zu einem besonders starken Anfall von Säuren oder Basen, sind die genannten Systeme nicht mehr in der Lage, den pH-Wert des Blutes auf dem Normalwert von pH 7,40 konstant zu halten.
  • Entsprechend der dann auftretenden pH-Verschiebung unterscheidet man
  • Stärkere pH-Verschiebungen lösen schwere, u.U. lebensbedrohliche Symptome aus.

Physiologie

Bemerkungen

  • Der pH-Wert des arteriellen Blutes liegt zwischen 7,37 und 7,43 mit einem Mittelwert von 7,40. Das menschliche Blut ist somit schwach alkalisch.
  • Trotz der ständig schwankenden Abgabe saurer Stoffwechselprodukte an das Blut wird dessen pH-Wert sehr konstant gehalten.
  • Diese Konstanz ist eine wichtige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines geregelten Stoffwechselablaufs in den Körperzellen, weil alle am Stoffwechsel beteiligten Enzyme in ihrer Aktivität pH-abhängig sind.
  • An der Aufrechterhaltung eines gleich bleibenden Blut-pH-Werts sind mehrere Faktoren beteiligt. Es sind dies die Puffersysteme des Blutes, der Gasaustausch in der Lunge und die Ausscheidungsprozesse der Niere.

Puffersysteme des Blutes

  • Unter den Puffersystemen des Blutes und des Interstitiums ist an erster Stelle das Hydrogencarbonat-System mit CO2 als Säureanhydrid und HCO3- als korrespondierender Base zu nennen.
  • Das System ist deshalb besonders effektiv, weil beide Reaktionspartner im Blut in relativ hoher Konzentration vorliegen.
  • Auch Proteine leisten zur Pufferkapazität des Blutes einen erheblichen Beitrag (Proteinat-Puffersystem).
  • Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Hämoglobin infolge seiner hohen Konzentration und seines großen Histidin-Anteils - Histidin kann am Imidazol-Ring protoniert werden - zu.
  • Ein weiteres Puffersystem bilden die anorganischen Phosphate (Phosphat-Puffersystem), wobei das primäre Phosphat (H2PO4-) als Säure und das sekundäre Phosphat (HPO42-) als korrespondierende Base wirksam werden. Wegen der verhältnismäßig geringen Phosphatkonzentration im Blut ist der Puffereffekt dieses Systems allerdings gering.

pH-Regulation

 pH-Regulation durch Atmung

  • Das als Endprodukt des oxidativen Stoffwechsels anfallende Kohlendioxid (10 mmol/min oder 14 mol/d (ca. 850 g/d) in körperlicher Ruhe) wird durch die Atmung laufend aus dem Blut eliminiert.
  • Die Atmung sorgt also dafür, dass durch die Abgabe des flüchtigen Anhydrids der Kohlensäure eine Säurebelastung des Organismus vermieden wird.
  • Kommt es im Blut zu einer Anhäufung von Säuren, wird sofort die Atmung verstärkt (Hyperventilation), wodurch CO2 vermehrt abgeatmet wird und der pH-Wert zur Norm zurückkehrt.
  • Umgekehrt wird bei einer Erhöhung der Basenkonzentration die Atmung reduziert (Hypoventilation), der CO2-Partialdruck und damit auch die H+-Konzentration nehmen zu, so dass der ursprüngliche pH-Anstieg zumindest teilweise rückgängig gemacht wird.

pH-Regulation über die Leber

  • Auch die Leber ist an der Regulation des Säure-Basen-Haushalts beteiligt.
  • Beim oxidativen Abbau von Aminosäuren fallen CO2 und NH3 bzw. HCO3- und NH4+ an, die normalerweise bei der Synthese von Harnstoff in den Leberzellen vollständig verbraucht werden.
  • Ist dieser Verbrauch jedoch unvollständig, wird NH4+ über eine verstärkte Synthese von Glutamin entgiftet.
  • Glutamin gelangt auf dem Blutweg in die Nieren und trägt hier zur tubulären H+-Sekretion bei.
  • Durch oxidativen Abbau von Milch-, Essig- und Citronensäure können außerdem Protonen eliminiert werden.

pH-Regulation über die Nieren

  • Neben Kohlensäure werden bei den Stoffwechselprozessen auch nichtflüchtige Säuren gebildet, unter denen Schwefelsäure mengenmäßig am bedeutsamsten ist.
  • Dadurch anfallende H+-Ionen können renal ausgeschieden werden.
  • Mit der renalen H+-Sekretion befasst sich der folgende Abschnitt.

Renale H+-Sekretion

Schematische Darstellung

Allgemeines

  • Bei den Stoffwechselprozessen des Organismus fallen laufend Protonen im Überschuss an, die einerseits respiratorisch (durch Reaktion von Protonen mit Hydrogencarbonat und vermehrte Abatmung von Kohlendioxid), andererseits renal eliminiert werden.
  • Die renale Ausscheidungsrate an freien H+-Ionen ist gering: Der niedrigste beim Menschen erreichbare pH-Wert des Harns beträgt ca. 4,5.
    • Zur direkten Ausscheidung von Protonen unter ATP-Verbrauch sind spezielle Zellen im Sammelrohr befähigt. Ihre Kapazität ist jedoch gering.
  • Die H+-Ausscheidung durch die Nieren erfolgt daher vorwiegend nach Reaktion der Protonen mit Puffersubstanzen, insbesondere mit primärem Phosphat, mit Anionen schwacher organischer Säuren sowie mit von den Nieren produziertem NH3.
  • Mit zunehmender Azidität des Harns steigt die NH3-Bildung aus Glutamin in den Tubuluszellen an, im Tubuluslumen verbindet sich NH3 dann mit H+ zu NH4+, für das die Membranen nahezu undurchlässig sind.
  • Die renale Elimination von H+-Ionen dient v.a. drei Zwecken:
    • Resorption von filtriertem HCO3- aus dem Primärharn
    • Ausscheidung überzähliger Protonen in Form titrierbarer Säure
    • Nicht-ionischer Transport von NH4+ als NH3
  • Sie findet vor allem an zwei Orten statt, den Zellen des proximalen Tubulus und denen des Verbindungstubulus bzw. Sammelrohrs.

Proximaler Tubulus

  • Ins Lumen des proximalen Tubulus werden über zwei Mechanismen sehr große Mengen an H+ sezerniert:
    • H+-ATPase
      • Eine H+-ATPase fördert im Bereich des proximalen Tubulus aktiv H+ ins Tubuluslumen.
    • Na+/H+-Antiporter (NHE3-Carrier)
      • Über einen sekundär aktiven Transport wird im proximalen Tubulus H+ im Austausch gegen Na+ elektroneutral sezerniert.
  • Der pH-Wert des Filtrats sinkt dabei von dem des Blutes (ca. ph 7,4) auf ca. 6,6 ab.
  • Jedes ausgeschiedene Proton lässt ein OH--Ion in der Zelle zurück, dass mit CO2 zu HCO3- reagiert, welches anschließend die Zelle ins Blut verlässt.
    • Für jedes ins Lumen abgegebene Proton wird somit ein HCO3- gebildet, das ein weiteres Proton neutralisieren kann. Es besteht also eine direkte Beziehung zwischen tubulärer H+-Sekretion und effektiver Verminderung der H+-Konzentration im Körper.
    • Da diese Reaktion durch die Carboanhydrase  (CAII) katalysiert wird, bewirkt eine Hemmung dieses Enzyms über Carbonatanhydratase-Hemmstoffe auch eine Beeinträchtigung der H+-Ausscheidung mit der Gefahr einer Azidose.

Verbindungstubulus und Sammelrohr

  • Ins Lumen des Verbindungstubulus und des Sammelrohrs können Protonen aktiv ausgeschieden werden. Dies geschieht durch sogenannte Typ-A-Schaltzellen, die dazu über eine H+/K+-ATPAse, sowie wahrscheinlich auch über eine H+-ATPase verfügen.
  • Der pH-Wert des Harns kann hier bis auf ca. 4,5 abgesenkt werden.
    • Bei einer Alkalose können durch Typ-B-Schaltzellen hier HCO3--Ionen ins Lumen (Cl-/HCO3--Antiport) und H+-Ionen ins Blut (Na+/H+-Antiport) sezerniert werden.

Renale HCO3--Resorption

Schematische Darstellung

Allgemeines

  • Der Resorption von HCO3- aus dem Primärharn kommt eine große Bedeutung zu, da pro Tag eine Menge, die dem 40fachen der HCO3--Menge im Blut entspricht, in den Primärharn abfiltriert wird. Das Säure-Basen-Gleichgewicht wäre somit bei einer Störung der HCO3--Resorption innerhalb kürzester Zeit deutlich gestört.

Proximaler Tubulus

  • Der größte Teil (ca. 90 %) der glomerulär filtrierten HCO3--Menge wird im proximalen Tubulus bereits wieder ins Blut aufgenommen. Dies geschieht nach dem folgenden Mechanismus:
    • Ins Tubuluslumen ausgeschiedene H+-Ionen (s.o.) reagieren dort mit HCO3- zu H2O und CO2, wobei die Gleichgewichtseinstellung dieser Reaktion durch eine membranständige Carboanhydrase (CAIV) beschleunigt wird.
    • CO2 kann nun leicht in die Tubuluszelle diffundieren, wo es durch die zytoplasmatische CAII wieder in H+ und HCO3- umgewandelt wird.
    • Die entstehenden H+-Ionen werden ins Lumen, die entstehenden HCO3--Ionen ins Blut sezerniert. Letzteres geschieht über einen elektrogenen Na+-3HCO3--Cotransporter, der auch als hNBC (human Na+-Bicarbonat Cotransporter) bezeichnet wird.
  • Die Triebkraft für die Aufnahme des CO2 in die Tubuluszelle stellt die Differenz der CO2-Partialdrücke zwischen Tubuluslumen und Zellinnerem dar, die für die Ausscheidung des HCO3- ins Blut ist v.a. das Membranpotential.
    • Da dieses von der K+-Konzentration im Intrazellulär- und im Extrazellulärraum abhängig ist, steigt es bei einer Hypokaliämie an.
    • Das höhere Konzentrationsgefälle von innen nach außen führt zu einer verstärkten Diffusion von K+ aus der Zelle und damit mehr positiven Ladungen auf ihrer Außenseite.
    • Zu deren Ausgleich wird nun mehr HCO3- ins Blut (und mehr H+ in den Harn) abgegeben, es kommt zu einer hypokaliämischen Alkalose.

 

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