Enteroviren
- Zu diesen 20-30 nm kleinen RNS-Viren gehören das
Poliovirus, das Coxsackievirus und das
Echo-Virus; das einzige bekannte Erregerreservoir
ist der Mensch.
- Die Enteroviren sind säurestabil, daher können sie die Verdauungswege als
Eintrittspforte benutzen. Die oral aufgenommenen Enteroviren vermehren sich
lokal in der Darmschleimhaut, was meist nicht mit klinischen Erscheinungen
einhergeht.
- Zur Erkrankung kommt es nur dann, wenn die Viren generalisieren und zu
Organschäden führen.
- Bei den Enteroviren finden wir eine saisonale Häufung in den
Sommermonaten.
- Die Enteroviren werden zu Beginn über Rachentröpfchen, später über den
Stuhl ausgeschieden. Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt nicht nur
direkt über Tröpfcheninfektion und Schmutzinfektion, sondern auch indirekt
über verunreinigte Lebensmittel.
- Die Relation Infizierter zu Erkrankten ist meist sehr klein. (Beim
Poliovirus z.B. erkrankt 1 Kind auf 100 infizierte Kinder.) Die klinisch
inapparent infizierten Menschen stellen meist die Hauptinfektionsquelle dar.
- Die durch Enteroviren hervorgerufenen klinischen Krankheitsbilder sehen
sehr oft ähnlich aus, so dass man bei der Diagnostik immer alle Enteroviren
als mögliche Erreger einbeziehen muss. Wichtig ist deshalb der Versuch einer
Erregerisolierung über verschiedene Zellkulturen. Als Untersuchungsmaterial
kommen insbesondere Stuhlproben in Betracht, aber auch Rachenabstriche in der
ersten akuten Krankheitsphase und evtl. Liquor. Antikörper können mit
verschiedenen serologischen Reaktionen nachgewiesen werden.
- Die Polioviren sind die Erreger der Poliomyelitis (spinale Kinderlähmung,
Heine-Medin-Krankheit). Es werden serologisch die Typen 1, 2 und 3
unterschieden.
- Das Poliovirus wird über den Mund aufgenommen und vermehrt sich in der
Rachen- und Darmschleimhaut.
- Meist treten in dieser ersten Phase keine klinischen Erscheinungen auf
oder man sieht uncharakteristische Symptome von Seiten des Rachens und des
Darmes, wie Fieber, Übelkeit, Gliederschmerzen und evtl. Durchfälle. In diesem
Frühstadium werden die Polioviren im Rachensekret (über 1-2 Wochen) und im
Stuhl (über mehrere Wochen) ausgeschieden, es kann sich dann eine virämische
Phase anschließen und die Polioviren siedeln sich in verschiedenen Organen an.
Das Poliovirus kann dabei auch ins Rückenmark gelangen und Lähmungen
verursachen.
- Klinisch ist für die Poliomyelitis ein biphasischer Verlauf typisch: Nach
einer schnellen Abheilung der ersten Phase kommt es einige Tage später zur
zweiten Krankheitsphase mit meningealen Reizsymptomen und nachfolgenden
Lähmungen. Die Paralysehäufigkeit (Paralyse = vollstängige Bewegungslähmung)
und die Stärke der Erkrankung hängen vom Virus, vom Lebensalter des
Betroffenen und seiner Resistenzlage ab.
- Die Poliomyelitis tritt epidemisch und endemisch auf, der Mensch ist das
alleinige Virusreservoir.
- Generell gilt: Je früher der Mensch eine Polioerkrankung durchmacht, um so
leichter verläuft sie. So ist es verständlich, dass in Ländern mit niedrigem
Hygienestandard eine mehr oder weniger vollständige Durchseuchung schon im
Frühkindesalter erfolgt, und zwar bei relativ wenig manifesten
Krankheitsfällen. Bei Verbesserung der hygienischen Verhältnisse verschiebt
sich der Infektionszeitpunkt mehr ins Erwachsenenalter die Zahl der
Erkrankungen und die der Paralysen nehmen zu.
- Im Frühstadium ist eine Infektion von Mensch zu Mensch über
Rachentröpfchen möglich, später geht die Infektion über fäkale
Verunreinigungen. (Pro Gramm Stuhl werden rund 106 Viren
ausgeschieden.)
- Auch klinisch gesunde Menschen können längere Zeit Polioviren ausscheiden
und sind daher eine sehr wichtige Infektionsquelle.
- Die Polioschutzimpfung hat sich als eine der wirksamsten und auch
verträglichsten prophylaktischen Maßnahmen erwiesen: Verwendet werden kann
entweder die Totvakzine nach Salk oder eine Lebendvakzine mit abgeschwächtem
Poliovirus, z. B. der Impfstoff nach Sabin. In allen Vakzinen sind die 3
Poliovirustypen enthalten. Die Polioschutzimpfung hat zu einem drastischen
Rückgang der Poliomyelitismorbidität geführt.
- Die Salk-Vakzine induziert eine humorale Immunität, während mit der
Sabin-Vakzine ("Schluckimpfung") darüber hinaus auch eine lokale Immunität
zumindest der Darmschleimhaut erzeugt wird. Die Lebendvakzine ist aber mit
der, wenn auch sehr seltenen Möglichkeit des Auftretens einer (dann auch meist
"gutartigen") Polioerkrankung belastet (1 Fall auf > 1 Million Geimpfter
vorkommen). Während die Totvakzine die Generalisierung der Polioviren
verhindert, reduziert die Lebendvakzine schon eine Darminfektion in der ersten
Phase.
- Da Polioerkrankungen bei uns jetzt selten sind, ist zu befürchten, dass
die Durchimmunisierung der Bevölkerung aufgrund von Infektionen und
Schutzimpfungen abnehmen wird (Impfnachlässigkeit!). Dadurch wird die Gefahr
epidemischer Polioausbrüche größer. Es ist daher außerordentlich wichtig, auch
jetzt die Impfdisziplin durch eine möglichst vollständige Durchimmunisierung
der Kinder zu stärken.
- Der orale Lebendimpfstoff wird - trotz deutlich besserer Wirksamkeit -
nicht mehr verwendet, da die Geimpften für einen kurzen Zeitraum zu möglichen
Infektoren werden. Um Immungeschwächte Personen dadurch nicht zu gefährden,
wird der nur noch der weniger wirksame Totimpfstoff angewandt.
- Die Erstimpfung mit dem Lebendimpfstoff im 3. Lebensmonat bewirkt bereits
einen Impfschutz von 99%. Durch Nachimpfungen im 4. und 15. Lebensmonat, sowie
danach alle 10 Jahre wird dieser Impfschutz noch mehrfach geboostert.
- Der Durchimpfungsgrad in der Bevölkerung sollte bei mehr als 70% liegen.
- Polioviren sind die Erreger der Poliomyelitis (= "Entzündung der grauen
Zellen im Rückenmark").
- graue Zellen = motorische Nervenzellen
- Es kommt zu Ausfallerscheinungen der motorischen Nervenzellen, die
Ausfallerscheinungen sind dauerhaft, weil Nervenzellen nicht
regenerationsfähig sind.
- Es kommt zu einer schlaffen Lähmung ( spastische Lähmung, wenn die
Antagonisten nicht gelähmt sind) durch die Lähmung betroffen sind Arme, Beine,
innere Organe (z.B. Blase, Schlundwege ê Kehlkopf), was Auswirkungen auf die
Atmung und das Schlucken hat.
- Der Name dieses Virus geht auf einen Städtenamen
in den USA zurück, wo 1948 die Erstisolierung gelang.
- Es werden inzwischen 24 Serotypen des Coxsackievirus A und 6 Serotypen des
Coxsakkievirus B unterschieden.
- Die Viren sind weltweit verbreitet, ihre Epidemiologie ist dem Poliovirus
ähnlich. Auch hier können häufig klinisch inapparente Infektionen vorkommen.
- Beim leichten Krankheitsverlauf sind folgende Erscheinungen zu beobachten;
grippeähnliche Erkrankung der oberen Luftwege, Gastroenteritis, Herpangina
(schmerzhafte Bläschenbildung im Mund-Rachen-Raum), Bornholmer Krankheit
(Fieber, schmerzhafte Entzündung von Muskelpartien, insbesondere der
Zwischenrippenmuskeln), Exantheme, Lymphknotenentzündung und Hodenentzündung.
- Es sind aber auch schwere Verläufe möglich mit: Meningitis, Enzephalitis,
Hepatitis,
Pneumonie, Myo- und Perikarditis.
- Zwischen diesen Krankheitsbildern und den verschiedenen Serotypen bestehen
offenbar Zusammenhänge.
- Der Name der 1951 erstmals isolierten Echo-Viren ist auf die folgende
ursprünglich verwendete Bezeichnung zurückzuführen: enteric cytopathic human
orphan virus. Dieser Name wurde damals deshalb gewählt, weil man die Viren,
jedoch keine dazugehörigen Krankheitsbilder kannte (orphan = Waise).
- Typisch für diese Viren ist ihr ausgeprägter zytopathischer Effekt in
Zellkulturen.
- Inzwischen weiß man, dass die 33 Serotypen der Echo-Viren weltweit
verbreitet sind. Die Durchseuchung der Bevölkerung ist groß und findet meist
schon in frühen Jahren statt.
- Die durch Echo-Viren hervorgerufenen Krankheitsbilder ähneln den
Coxsackievirusinfektionen.
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