
Der genetische Code
- Grundsätzlich werden alle vererbbaren Merkmale mit Hilfe von
enzymkatalysierten Reaktionen ausgebildet. Alle Enzyme sind Proteine, die aus
20 verschiedenen Aminosäure-Bausteinen aufgebaut sind. Dabei hängen Struktur
und biologische Funktion eines Proteins von der Aminosäuresequenz ab.
- Die chemische Struktur der DNA zeigt nur in der Abfolge der vier Basen
Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin eine Variabilität. Eine Aminosäure wird
durch eine Gruppe von drei Basen, einem Basentriplett der DNA, codiert.
- Die DNA befindet sich in den Chromosomen des Zellkerns, die Proteine
werden jedoch im Zytoplasma synthetisiert. Es wurde ermittelt, dass die
Ribosomen die Organellen sind, an denen Aminosäuren zu Proteinen verknüpft
werden. Die Anweisung für Zahl und Abfolge der Aminosäuren eines Enzyms ist in
der DNA codiert, die den Zellkern aber nicht verlässt. Vielmehr wird die
Information für die Aminosäurensequenz eines Proteins durch ein chemisches
Zwischenprodukt von der DNA abgelesen. Als Überträger der genetischen
Information vom Zellkern zu den Ribosomen fungiert eine Nukleinsäure, die sog.
messenger-RNA (mRNA ).
- RNA unterscheidet sich von der DNA in zwei Bausteinen: Die
Zuckerkomponente ist hier Ribose und statt Thymin tritt in der RNA Uracil als
vierte Base neben Guanin, Cytosin und Adenin auf.
- Gibt man zu einer wachsenden Zellkultur radioaktiv markierte
RNA-Bausteine, so werden diese in neusynthetisierte RNA eingebaut. Überprüft
man kurz danach, wo in der Zelle Radioaktivität auftritt, so findet sich diese
fast ausschließlich im Zellkern. Weitere Untersuchungen zeigen, dass RNA an
DNA-Abschnitten der Chromosomen gebildet wird. Dazu tritt in dem DNA-Abschnitt
eine vorübergehende Entwindung der Doppelhelix auf. An einem Strang der DNA,
dem sog. codogenen Strang, lagern sich komplementär zur Basensequenz
RNA-Nukleotide an und werden verknüpft. Die Basenpaarung läuft ähnlich wie bei
der DNA-Verdopplung ab. Dabei ist dem Adenin der DNA das Uracil der RNA
gepaart. Die synthetisierte RNA löst sich vom codogenen DNA-Strang, und die
Entwindung der Doppelhelix wird wieder rückgängig gemacht.
- Durch die mRNA-Synthese wird die genetische Information auf der DNA
folglich dadurch abgelesen, dass ihre Basensequenz der Basenfolge des
codogenen DNA-Stranges entspricht. Man gibt daher die Basentripletts des
genetischen Codes in der "mRNA-Verschlüsselung" an. Ein mRNA-Triplett wird als
Codon bezeichnet.
Realisierung genetischer Information
- Die in der DNA gespeicherte genetische Information wird abschnittsweise
auf die RNA überschrieben. Diese RNA-Synthese wird Transkription genannt. Sie
zeigt einen zur DNA-Verdopplung analogen Mechanismus. Allerdings wird dabei
nur ein kleiner Teilbereich der DNA-Basensequenz abgelesen. RNA-Moleküle sind
daher wesentlich kürzer als die DNA-Doppelhelix.
- Die Transkription wird von dem Enzym RNA-Polymerase katalysiert. Es
erkennt anhand von bestimmten Basensequenzen Start- und Stoppzeichen auf dem
codogenen Strang der DNA.
- Jedes mRNA-Molekül enthält die genetische Information für die
Aminosäuresequenz eines Proteins. Um diese Information in die Synthese eines
Proteins umzusetzen ist neben den Ribosomen, Aminosäuren und mRNA eine weitere
RNA-Art nötig, die transfer-RNA (tRNA ). Das tRNA-Molekül ist relativ klein,
es besteht nur aus etwa 80 Nukleotiden, und transportiert die Aminosäuren zu
den Ribosomen. Dabei bindet ein tRNA-Molekül immer nur eine bestimmte
Aminosäure. In der Zelle sind daher mindestens 20 verschiedene tRNA-Typen
vorhanden.
- Bei der Verwirklichung genetischer Information wirken mRNA, tRNA und
Ribosomen sowie zahlreiche weitere Faktoren in spezifischer Weise zusammen.
Zunächst erfolgt die Bindung der mRNA an ein Ribosom. Damit ist das
"Startsignal" für die nachfolgenden Prozesse gegeben. Ein mit seiner ihm
zugeordneten Aminosäure beladenes tRNA-Molekül kann im sog. Eingang eines
Ribosoms gebunden werden. Am Grunde dieses Eingangs liegt die mRNA mit einem
Basentriplett-Abschnitt ebenfalls gebunden vor. Es lagert sich dann die
Aminosäuren-tRNA an, die das Codon der mRNA erkennen kann. Dieses Erkennen
erfolgt durch ein Basentriplett der tRNA, durch das sogenannte
Anticodon.
- Das Codon der mRNA und das Anticodon der tRNA sind in ihren Basensequenzen
einander komplementär. So kann entsprechend dem Prinzip der genetischen
Codierung einem Basentriplett eine Aminosäure eindeutig zugeordnet werden.
- Das Ablesen aller Codons eines mRNA-Moleküls ergibt die Aminosäuresequenz
eines Proteins. Gleichzeitig erfolgt aber am Ribosom auch die Verknüpfung der
Aminosäuren untereinander. Grundsätzlich beginnt die Biosynthese eines
Proteins immer mit dem sog. Startcodon AUG, das zugleich die Aminosäure
Methionin codiert. Nachdem die Methionin-tRNA mit dem Anticodon UAC im
Ribosomen-Eingang durch Basenpaaarung gebunden ist, rückt das Ribosom um eine
Triplettbreite auf der mRNA weiter. Die Methionin-tRNA sitzt dann in der als
Ausgang zu bezeichnenden zweiten Bindungsstelle des Ribosoms. In den
Ribosomen-Eingang ist dann das nächstfolgende Codon der mRNA gerückt. Dort
wird nun die entsprechende zweite Aminosäure-tRNA angelagert. Danach geht die
Aminosäure im Ribosomen-Ausgang auf die Aminosäure in der Eingangsposition
über und wird dort angeknüpft. Im Ribosomen-Eingang sitzt nun ein
tRNA-Molekül, das ein Dipeptid trägt. Das im Ausgang entladene tRNA-Molekül
verlässt das Ribosom und bindet im Zytoplasma erneut die ihm zugeordnete
Aminosäure.
- Das Ribosom rückt erneut um ein Basentriplett weiter. Die das Peptid
tragende tRNA sitzt dann im Ausgang des Ribosoms. Der Eingang wird durch eine
neue Aminosäure-tRNA besetzt, die das dort vorliegende Codon erkennt.
- Das Ribosom läuft die gesamte Basensequenz der mRNA ab, und die oben
geschilderten Vorgänge wiederholen sich, wobei die Proteinkette ständig
wächst. An dieser Kettenverlängerung sind verschiedene Enzyme beteiligt, die
Bestandteile des Ribosoms sind. Erreicht das Ribosom ein Stoppcodon – dies
können die Tripletts UAA, UAG oder UGA sein – zerfällt das Ribosom in seine
beiden Untereinheiten, und die Proteinbiosynthese ist abgeschlossen. Bei
dieser Synthese erfolgt die Übersetzung der genetischen Sprache, die
Basensequenz der Nukleinsäuren, in die Aminosäuresequenz eines Proteins. Man
bezeichnet diesen Vorgang auch als Translation.
- In der Regel wird ein mRNA-Molekül von mehreren Ribosomen gleichzeitig
abgelesen. Die Ribosomen wandern hintereinander am mRNA-Strang entlang. Jedes
Ribosom bewirkt die Synthese eines Proteinmoleküls.
- Die Vorgänge bei der Proteinsynthese lassen folgenden Fluss der
genetischen Information erkennen:
DNA --- Transkription ---> m-RNA --- Translation ---> Protein
- Die damit festgelegte Richtung des Informationsflusses wird als Dogma der
Molekularbiologie bezeichnet. Man kennt heute allerdings bei einigen Viren
Abweichungen von diesem Schema. Generell aber fungiert mRNA als Zwischenträger
zwischen dem Ort der Speicherung und dem Ort der Realisierung von genetischer
Information. Die mRNA ist nur ein kurzlebiges Molekül, das nach einiger Zeit
durch zelleigene Enzyme wieder abgebaut wird. In einer Zelle liegen immer
verschiedene mRNA-Moleküle nebeneinander vor. Welche mRNA-Moleküle auftreten
hängt jeweils von der gerade abgerufenen genetischen Information ab.
- Durch Versuche hat man herausgefunden, dass alle 64 (43)
denkbaren Tripletts in der Zelle auch tatsächlich auftreten. Die meisten
Aminosäuren werden durch mehrere Basentripletts codiert.
- Man kann – mit Ausnahme des Tryptophans und des Methionins – aus einer
Aminosäure nicht auf ein bestimmtes Basentriplett schließen. Meist
unterscheiden sich die Codons für eine Aminosäure in der dritten Base.
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